Warum wir Barrierefreiheit im Web brauchen

Sabrina Lang

Senior UI Designer & Consultant

Jeder ist anders. Wir sind alle unterschiedlich und haben unsere eigenen Bedürfnisse, Vorlieben und Fähigkeiten. Deshalb sollte die Gestaltung von Websites berücksichtigen, dass nicht jeder dieselbe Art von Zugang zu Informationen hat. Barrierefreiheit oder Accessibility im Web bezieht sich auf den Prozess, digitale Inhalte für alle Menschen zugänglich zu machen – unabhängig von ihren körperlichen, technischen oder geistigen Fähigkeiten. Viele Leute sind der Annahme, dass Barrierefreiheit das UI Design einschränkt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Tatsächlich gibt es immer mehr positive Beispiele von guten Designs, die auch barrierefrei sind. Durch die immer größer werdende Bedeutung von Barrierefreiheit, gibt es einfach mehr Möglichkeiten für Designer, ihre Kreativität auszuleben und beeindruckende Designs zu schaffen, die sowohl funktionell als auch optisch ansprechend sind.

Barrierefreiheit im Web – was ist das eigentlich?

Ihr kennt sicher das WC-Symbol. Oder das Handicap-Parkplatz-Zeichen. Beides sind Standards, die jeder kennt und sofort versteht. Sie erleichtern uns den Alltag, weil wir nicht erst umständlich erklären müssen, wo die Toilette ist oder welcher Parkplatz für Menschen mit Behinderung gedacht ist. Webstandards sind ähnlich – sie legen fest, wie bestimmte Sachen im Internet aussehen und funktionieren sollen. So gibt es beispielsweise Standards für Webseiten, Videos oder Bilder.

Barrierefreiheit im Web bedeutet, dass Websites so gestaltet sind, dass sie von möglichst vielen Menschen genutzt werden können – egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Dazu gehört zum Beispiel, dass eine Website gut lesbar ist und auch von Menschen mit Sehbehinderungen genutzt werden kann. Oder dass eine Website so gestaltet ist, dass auch Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen sie problemlos nutzen können.

Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0 beschreibt auf ihrer Website 4 Prinzipien, auf die zu achten sind:

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    Wahrnehmbarkeit

    Inhalte müssen so gestaltet sein, dass sie von allen Nutzer:innen gleichermaßen wahrgenommen werden können. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Schriftgröße anpassbar sein sollte oder alternative Textbezeichnungen für Bilder vorhanden sind.

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    Bedienbarkeit

    Das 2. Prinzip beschreibt, dass die Inhalte so gestaltet sein müssen, dass es allen Nutzer:innen möglich ist, jederzeit zu den gewünschten Informationen zu gelangen. Hierzu gehört beispielsweise, dass Links auch mit der Tastatur bedienbar sind oder Videos unterbrochen und neu gestartet werden können.

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    Verständlichkeit

    Inhalte müssen so gestaltet sein, dass die dort enthaltenen Inhalte verständlich sind und die Bedienung nachvollziehbar ist. Dies betrifft beispielsweise die Sprache der Website oder die Struktur der Informationen.

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    Robustheit

    Das 4. Prinzip besagt, dass die Inhalte so implementiert sein müssen, dass sie von aktuellen und zukünftigen Benutzertools (z.B. Screen Readers) genutzt werden können.

Der WCAG Standard gibt diverse Erfolgskriterien vor, die Websites erfüllen sollten, damit sie für alle Nutzer zugänglich und verständlich sind. Dabei unterscheidet man insgesamt 3 Stufen der Konformität: A, AA und AAA. Je nachdem, wie viele Erfolgskriterien eine Website berücksichtigt, wird sie in eine dieser drei Kategorien eingestuft.

Stufe A entspricht den geringsten Anforderungen und beinhaltet lediglich die Grundlagen der Web Zugänglichkeit. AA ist die mittlere Stufe und setzt voraus, dass eine Website etwas mehr beachtet wird. AAA ist die höchste Stufe der Konformität und bedeutet, dass eine Website alle Aspekte des Standards berücksichtigt.

Für Unternehmen ist es wichtig zu wissen, welche Stufe der Konformität sie anstreben sollten. Denn je höher die Stufe ist, desto größer ist natürlich auch der Aufwand. Aber auch schon mit kleinen Schritten kann man viel erreichen und so dafür sorgen, dass die Website für alle Nutzer zugänglich ist.

Warum ist Accessibility wichtig?

Websites sollten barrierefrei sein, weil es allen Menschen ermöglicht, sie gleichermaßen zu nutzen. Dies ist wichtig, weil die Nutzung von Websites eine wesentliche Komponente unseres täglichen Lebens geworden ist. Wir verwenden sie, um zu arbeiten, zu lernen, uns zu unterhalten und mit anderen in Kontakt zu bleiben. Barrierefreiheit ermöglicht es, die volle Bandbreite dieser Aktivitäten auszuüben.

Aber es gibt einen weiteren besonderen Grund, warum Barrierefreiheit im Web so wichtig ist: Die Zahl der Menschen mit Behinderungen nimmt weltweit stetig zu. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben weltweit mehr als eine Milliarde Menschen mit einer Behinderung – das entspricht rund 15 Prozent der Weltbevölkerung. In Österreich sind es über 1,3 Millionen Menschen. Tendenz steigend.

Es gibt viele verschiedene Arten von Behinderungen, die die Art und Weise beeinflussen können, wie Menschen Websites nutzen können. Zum Beispiel können Sehbehinderte Bilder oder Videos auf einer Website nicht sehen. Menschen mit Hörbehinderungen können Audio- oder Videosignale auf einer Website nicht hören. Und Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen können bestimmte Arten von Bedienfehlern haben, die das Navigieren auf einer Website erschweren oder unmöglich machen.

Barrierefreiheit bezieht sich also auf die Gestaltung von Websites, sodass sie für alle Nutzer gleichermaßen zugänglich und nutzbar sind. Dies bedeutet, dass Bilder und Videos beschriftet werden, damit Sehbehinderte sie verstehen können; dass Audio- und Videoclips untertitelt werden, damit Hörbehinderte sie verstehen können; und dass Bedienfehler minimiert werden, damit Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen besser damit zurechtkommen.

Die Implementierung von Barrierefreiheit ist oft einfach und kostengünstig. Viele der Änderungen, die notwendig sind, um eine Website barrierefrei zu gestalten, betreffen lediglich die Art und Weise, wie Inhalte präsentiert werden. Zum Beispiel kann die Verwendung von Alternativtext für Bilder sehr hilfreich sein für Menschen mit Sehbehinderung. Untertitel für Videos helfen Hörbehinderten dabei, den Inhalt des Videos besser zu verstehen. Und die Optimierung der Bedienbarkeit einer Website kann für alle Nutzer nützlich sein – nicht nur für Menschen mit Behinderungen.

Barrierefreiheit ist also sowohl ethisch als auch praktisch wichtig. Ethisch gesehen sollten Websites so gestaltet sein, dass alle Menschen gleichermaßen Zugang dazu haben. Praktisch gesehen ist Barrierefreiheit oft einfach umzusetzen und bietet viele Vorteile für alle Nutzer einer Website – nicht nur für Menschen mit Behinderungen.

Für wen ist Accessibility wichtig?

Viele denken, dass Web Accessibility nur für Menschen mit Behinderungen wichtig ist. Doch das stimmt nicht! Jeder kann irgendwann einmal in seinem Leben auf eine Situation stoßen, in der er oder sie auf die Hilfe von Web Accessibility angewiesen ist. Sei es wegen einer Krankheit, einer Verletzung oder im Alter – irgendwann kann jeder von uns auf die Unterstützung angewiesen sein. Auch für Kinder und Jugendliche ist Web Accessibility wichtig, da sie noch keine Erfahrung damit haben und somit besonders hilfsbedürftig sind.

Web Accessibility ist auch wichtig für Unternehmen, Regierungen und andere Organisationen, die das Internet nutzen. Viele Organisationen haben gesetzliche Verpflichtungen, ihre Websites und Anwendungen für alle zugänglich zu machen. Auch wenn es noch keine gesetzliche Verpflichtung im privaten Sektor in Europa gibt, ist es moralisch und unternehmerisch klug, Websites und Anwendungen so zu gestalten, dass alle Nutzer gleichberechtigten Zugang haben.

Was kann ich tun, um Accessibility zu fördern?

Es gibt viele Möglichkeiten, um Web-Zugänglichkeit zu fördern. Die W3C-Web-Accessibility-Initiative (WAI) ist eine gute Quelle für Informationen und Richtlinien zur Erstellung von barrierefreien Websites. Aber was können wir als Designer dafür tun?

  • 1.

    Visuelle Präsentation von Text

    Bei der Darstellung des Textes sollte man auf mehrere Dinge achten. Dies fängt bei der Schriftauswahl an. Am Besten wählt man eine Schrift, die nicht zu verspielt ist und die auch in kleinen Größen gut lesbar ist – hierbei sollte man eine Größe von 12px nicht unterschreiten (dies kann jedoch von Schrift zu Schrift variieren). Außerdem sind Textblöcke mit schmaler Breite zum Beispiel für alle Menschen leichter zu lesen, insbesondere für Menschen mit Lese- oder Sehschwäche. Aus diesem Grund empfehlen die WCAG, die Anzahl der Zeichen in einer Textzeile auf unter 80 Zeichen zu beschränken.

  • 2.

    Farben & Kontraste

    Inhalte sollten nicht nur farblich gekennzeichnet werden (z.B. Fehlermeldungen), denn es gibt viele Menschen, die farbenblind sind und den Kontext einer Nachricht dann nicht verstehen würden. Lieber sollte man einen Text und ein Icon nutzen, um die Aussage zu unterstreichen. So kann sowohl eine farbenblinde Person, als auch jemand ohne Einschränkung den Inhalt besser verstehen. Die WCAG-Richtlinien besagen, dass das Kontrastverhältnis zwischen Text und Hintergrund bei 4,5:1 liegen sollte, um ein AA Rating zu bekommen.

  • 3.

    Konsistente Navigationselemente

    Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn User erst einmal überlegen müssen, wie sie sich auf einer Website bewegen müssen. Darum sollte barrierefreies Design vorhersehbar sein. User sollen sich nicht zuerst fragen, wie sich bestimmte Elemente verhalten oder wie die Benutzeroberfläche auf anderen Seiten aussehen wird. Navigationselemente sollten immer in der gleichen Reihenfolge und an der gleichen Stelle auf der Website erscheinen. Außerdem sollten funktionale Elemente sich von Seite zu Seite gleich verhalten.

  • 4.

    Klare Fokus States

    Es gibt viele Menschen, die statt einer Maus ihre Tastatur verwenden, um durch eine Website zu navigieren zu können. Hierfür benötigt es klare Fokus-States der Elemente, um dem User zu zeigen welche Elemente er gerade mit seiner Tab-Taste ausgewählt hat. Wird dies vergessen schließen wir nicht nur eine große Anzahl an Leuten, die darauf angewiesen sind aus, sondern frustrieren auch diejenigen die dies freiwillig tun.

Developer können ebenfalls dazu beitragen, Websites zugänglicher zu machen. Sie können beispielsweise sicherstellen, dass Websites mit Screen-Readern gut funktionieren. Zum Beispiel mit der Verwendung von „alt“ -Tags bei Bildern, damit Menschen mit Sehbinderung diese “sehen” können. Oder die Verwendung von „title“ -Tags bei allen Links, um den Zielinhalt zu beschreiben. Multimedia-Inhalte wie Videos und Audiodateien sollten außerdem mit Untertiteln und/oder Transkriptionen ausgestattet werden.

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Barrierefreiheit im Web ein immer wichtiger werdendes Thema ist, das die Zusammenarbeit von Designern, Developer, Textern und Content Creators verlangt. Um sicherzustellen, dass eine Website barrierefrei ist, sollten die WCAG 2.0-Richtlinien befolgt werden. Auch wenn es manchmal schwierig sein kann, sich an alle Richtlinien zu halten, ist es wichtig, dass wir unseren Teil dazu beitragen, das Web für alle zugänglich zu machen.

Quellen:

Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0

Weltgesundheitsorganisation (WHO)

Accessibility law in europe

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