Marketing

TikTok – Wie die Kurzvideo-Plattform den globalen Markt eroberte

Manuel Kuhn

Partner Digital Business Acquisition

Die Kurzvideo-App TikTok sollte, besonders zu Quarantäne-Zeiten, so ziemlich jedem Social-Media-Nutzer ein vertrauter Begriff geworden sein. Immer häufiger sieht man, wie Influencer uns nahezu täglich über etablierte Social-Media-Kanäle mit TikTok-Content versorgen. Doch nicht nur diese Gruppe scheint TikTok intensiv zu nutzen. Vor allem bei der jungen Generation findet die App regen Zuspruch. Mehrere Milliarden Nutzer singen Chart-Hits nach, bewegen sich simultan zur Musik und unterlegen ihre Videos mit passenden optischen Filtern und Effekten. Doch warum erlangte TikTok eine solch große Akzeptanz? Und was macht die Plattform so erfolgreich?
Fangen wir von Beginn an ...

Wem beim Lesen der vorangegangenen Sätze die Musical.ly Stars Lisa und Lena ins Bewusstsein gerufen wurden, liegt damit ganz richtig. Die im Jahr 2014 veröffentlichte amerikanische App Musical.ly fusionierte 2018, nach einer Übernahme in der Größenordnung von ca. 800 Mio. Dollar durch das chinesische Unternehmen Bytedance, mit der seit 2016 verfügbaren App TikTok (in China bekannt als „Douyin“). Musical.ly verschwand und die Kurzvideo-Plattform TikTok, wie wir sie heute kennen, eroberte den globalen Markt.

 

Nach Veröffentlichung erreichte die Plattform innerhalb von drei Jahren weltweit 1 Milliarde Nutzer – schneller als jegliche andere Social-Media App dies je zuvor geschafft hat.


Natürlich muss in diesem Zusammenhang angemerkt werden, dass durch die Fusion der beiden großen Plattformen (wie durch den leichten Knick auf der Grafik ersichtlich ist) insbesondere auf dem amerikanischen als auch dem chinesischen Markt bereits eine große Anzahl an Nutzern im Vorhinein gewonnen wurden, welche hier „aufsummiert“ dargestellt werden. Dennoch ist die TikTok-Kurve im Vergleich zu den anderen Plattformen beängstigend steil. Zudem sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass Facebook und Instagram der chinesischen Bevölkerung durch Regierungsauflagen verwehrt sind – TikTok fungiert folglich für viele Chinesen als digitales Hauptmedium für soziale Interaktionen sowie als Möglichkeit des Zugangs zum Rest der Welt.

 

Nichtsdestotrotz sind die Zahlen TikToks bemerkenswert. Mit 33 Millionen Downloads platzierte sich die Videoplattform bereits im ersten Quartal 2019 auf Platz eins, der am häufigsten heruntergeladenen Apps im Apple App Store und verzeichnet nach derzeitigem Stand weltweit mehr als 1,5 Milliarden Downloads in den Stores von Apple und Google – das sind circa 1/5 der gesamten Weltbevölkerung.

Dabei sind besonders junge Menschen zwischen 16 und 24 Jahren – darunter vor allem junge Frauen – aktive Nutzer: innen der Plattform, die sich täglich bis zu 52 Minuten in der App aufhalten und dabei mehr als 150 Videos rezipieren.

Doch was heißt das konkret?

Mit Blick auf die Nutzung der Plattform als Kommunikationsinstrument lässt sich feststellen:

Sowohl die Summe der Downloads als auch die Anzahl der Nutzer und deren Verweildauer auf der Plattform weisen Größenordnungen auf, von denen andere Kanäle nur zu träumen wagen. Aber wie kommen diese immens hohen Zahlen zustande?  Oder spezifischer ausgedrückt: Was macht TikTok so erfolgreich?

Erfolgsfaktor - Reichweite

Da TikTok selbst nur wenige bis gar keine Informationen bezüglich der auf der Plattform zur Verfügungen stehenden Reichweite veröffentlicht, hat sich TOWA selbst in Feldarbeit begeben und einen Praxisversuch unternommen. Identische Kurz-Videos mit deckungsgleichen Hashtags wurden auf YouTube, Instagram, Facebook sowie TikTok veröffentlicht und nach einer Laufzeit von 24 Stunden anhand der View-Zahlen verglichen.

Auch wenn der Praxisversuch aufgrund der Anzahl der Videos und deren Inhalte nicht gänzlich repräsentativ sind, so zeigte sich dennoch ein eindeutiges, interessantes Ergebnis: Die auf TikTok veröffentlichten Videos generierten im Vergleich zu jenen auf YouTube, Instagram und Facebook mehr als 8-mal so viele Views.

Auch wenn der Praxisversuch aufgrund der Anzahl der Videos und deren Inhalte nicht gänzlich repräsentativ sind, so zeigte sich dennoch ein eindeutiges, interessantes Ergebnis: Die auf TikTok veröffentlichten Videos generierten im Vergleich zu jenen auf YouTube, Instagram und Facebook mehr als 8-mal so viele Views.

Erfolgsfaktor - Distribution

Eine weitere strategisch relevante Ableitung, warum TikTok eine solch hohe Zahl an Nutzern verzeichnet, sind die in der Plattform enthaltenen Möglichkeiten Content zu distribuieren. Während die großen Social-Media Plattform Player zumeist restriktiv vorgehen, wenn es darum geht andere Plattformen in ihren Kanal einzubinden, verhält sich dies bei TikTok eher umgekehrt. Content, der auf TikTok entwickelt wurde, lässt sich leicht auch für andere Social-Media Kanäle einsetzen – so wurden beispielsweise auf Instagram mehr als 32 Millionen Posts mit dem Hashtag #tiktok abgesetzt, was den Schluss zulässt, dass ähnlich viele TikTok-Videos ihren Weg auf die Instagram-Plattform gefunden haben. Ein großer Vorteil ergibt sich hierdurch für Influencer und folglich auch für TikTok selbst. Denn so gelingt es Influencern ihre bereits erlangten Follower auf TikTok bzw. ihr TikTok-Profil zu locken.

Ein weiteres Beispiel für die Offenheit der Plattform sind die Account-Profile Hier erlaubt es TikTok eine direkte Verlinkung zu anderen Plattformen einzubinden, auf denen die jeweilige Person zusätzlich aktiv ist. In der Welt von Facebook eher nicht denkbar, dass eine Verbindung zu Snapchat erlaubt sein könnte.

Erfolgsfaktor - Zielgruppe

Inhaltlich richtet sich TikTok an all diejenigen, „die schon alles gesehen haben“ und definiert damit klar eine junge und internetaffine Zielgruppe, die bereits Profile auf allen anderen sozialen Plattformen hat.

„Enter, touch, scroll, watch“ – die Ansprache der Plattform wird dieser jungen, ungeduldigen Generation gerecht. Dabei scheint das Erfolgsrezept der Plattform (und auch anderen erfolgreichen Plattformen) besonders darin zu bestehen, zuerst junge Frauen zu begeistern. Denn wie bereits Sascha Lobo in seinem Artikel „Junge Mädchen regieren das Internet“ im Jahr 2014 bemerkte, entscheiden vor allem weibliche Teenager, welche neuen Features sich durchsetzen und welche nicht. Junge Frauen nutzen Social-Media Plattformen deutlich häufiger als dies andere Nutzergruppen tun – so wurde beispielsweise Facebook von den Ansprüchen junger, mehrheitlich weiblicher Intensivnutzer getrieben. Sie lassen sich schneller für technologische Trends begeistern, die dann auf andere Gruppen der Gesellschaft überschwappen. Mit Blick auf TikTok scheinen sich diese Erkenntnisse auch 6 Jahre später wieder zu bewahrheiten – ein Indiz dafür, dass Kommunikation meist ähnlichen Mechanismen unterworfen ist, unabhängig davon um welche Plattform und welche Zeitperiode es sich handelt.

Fazit

Der vorangegangene Artikel zeigt, warum die Kurz-Video-App TikTok derzeit einen solchen Boom durchlebt. Wir haben es mit einer Plattform zu tun, die besonders durch ihre extrem hohe organische Reichweite, ihre kombinierten Content-Distributionswege sowie ihre spezifische Zielgruppenansprache den globalen Markt erobert und unzählige User in ihren Bann zieht. Doch wie genau unterscheidet sich TikTok von den anderen Social-Media Kanälen? Welchen Regeln folgt der Algorithmus und ist es sinnvoll TikTok als Kommunikationsinstrument für Unternehmern in Betracht zu ziehen? – All dies erfährst Du in unserem nächsten Blogbeitrag.

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