Digitales Risikomanagement in unbeständigen und unsicheren Zeiten

Florian Wassel

Co-Founder, CEO & Managing Partner

Gesellschaftliche Krisen wie Kriege oder Pandemien bringen große Unsicherheit in unsere Welt. Verlässliche Prognosen können kaum getroffen werden. Wir fahren auf Sicht. Doch in dieser unbeständigen Zeit ergeben sich auch große Chancen, da gerade jetzt Marktanteile verschoben werden. Alte Wettbewerber verschwinden, neues Verhalten etabliert sich und eigentlich bleibt kein Stein auf dem anderen. Wenn man so will, ist es das Schlaraffenland für einen innovativen Gründer/in – denn genau jetzt sind gute Ideen gefragt. Aber da wäre noch die Liquidität. Wie allokiert man also Budgets in Zeiten wie diesen und wie kann man in Sachen Innovation auf Sicht fahren? Die Lehre der Unternehmensgründung – insbesondere im digitalen Umfeld – bietet hierzu spannende Werkzeuge, die mehr denn je helfen, sich schrittweise bzw. iterativ der Innovation zu nähern. Hierzu möchte ich 4 Konzepte vorstellen.
1. Google Design Sprints

Häufig scheitern Projekte, weil Teams und Entscheider mit falschen Annahmen ins Rennen gehen, was das Bedürfnis beim Kunden anbelangt. Was folgt, sind Pfadabhängigkeiten und die Diskussion um „sunk costs“ – in Zeiten wirtschaftlicher Rezession ist das der „worst case“.

 

Die Methode des Design Sprints, welche ihren Ursprung im Design Thinking Umfeld hat, zielt darauf ab, weg vom Bauchgefühl und hin zu validierten Ergebnissen zu kommen, um letztlich bessere Entscheidungen treffen zu können. Jake Knapp hat die Methode während seiner Zeit bei Google etabliert und mittlerweile hat sie Einzug gehalten bei Unternehmen wie N26, Porsche und Zalando.

 

Der Fokus liegt auf der Überprüfung der Markttauglichkeit, indem in sehr kurzer Zeit userzentriert ein Prototype entwickelt wird. Und das noch bevor große Budgets über Monate hinweg „dahinschmelzen“. Das Ergebnis eines Design Sprints ist nicht nur ein schlaues Papier oder ein schönes Design, sondern eine greifbare Lösung. Der Methodenansatz ist deshalb so effektiv, da innerhalb des komprimierten Zeitraums enorm fokussiert konzipiert wird – mit dem Ziel, erfolgsversprechende von weniger guten Ideen zu trennen.

 

In maximal fünf Tagen erarbeitet ein interdisziplinäres Team vom Userproblem ausgehend einen Clickdummy, der am Ende mit dem User getestet wird. In Kombination mit einer Business Modell Betrachtung liefert dieses Vorgehen eine fundierte Grundlage für Entscheider.

2. Das MVP

Das Buzzword der Start-Up- und Innovationswelt lautet heute: MVP oder „minimum viable product“. Aber: worum geht’s? Letztlich versucht das MVP, welches seinen Ursprung bei Steve Blank und Eric Ries findet, (Geschäfts)-Ideen und Konzepte zu validieren. Es ist sozusagen die logische Fortsetzung eines Design Sprints. Auf Discovery folgt Validation. Ähnlich wie in der Wissenschaft gilt es nun, die Forschungsfrage zu formulieren und die Problemstellung zu isolieren, um zu validen Aussagen zu gelangen. In der Sprache der Produktentwicklung handelt es sich hierbei um die zentrale User Story und den Core Value. Also die Antwort auf die Frage: Welches Problem löst mein Produkt?

 

Da es sich zu diesem Zeitpunkt um Vermutung handelt, empfiehlt es sich, bei der Produktentwicklung mit einem pragmatischen Ansatz vorzugehen und zu Beginn „quick and dirty“ zu arbeiten, bevor die große Architektur des Million Dollar Business samt IT-Integration ansteht. Der zentrale KPI in dieser Phase lautet „time to market“, folglich gilt es das Produkt sehr „spitz“ zu schneiden und vollends auf die Hypothese auszurichten. Anschließend beginnt das laufende Testing entlang des Marktes.


3. Hypothesen getriebenes Vorgehen

Im Sinne des Risiko Managements gilt es, die Wette oder Hypothesen sehr gezielt zu platzieren, um den Erkenntnisgewinn zu maximieren. Hier hat Eric Ries in seiner „Start-Up Bibel“  den theoretischen Grundstein gelegt, um Geschäftsideen möglichst effizient zu validieren. Man beginnt im 1. Schritt mit Funktionalitäten und Kundenbedürfnissen und geht anschließend zu den Vertriebskanälen über. Hierzu werden stets Annahmen und Ziele definiert, welche dann in kurzen Iterationen abgetestet werden – ähnlich zu Experimenten oder Wetten.

 

Der zentrale KPI in dieser Phase ist der Net-Promoter-Score – also die Weiterempfehlungsrate der Kunden. Sie spiegelt letztlich wider, ob es für das Produkt ein Bedürfnis am Markt gibt und ob die Lösung begeistert. Im Fachjargon spricht man hierbei vom „Product-Market-Fit“. Es empfiehlt sich, erst in die vertriebliche Skalierung zu gehen, wenn der NPS konstant >8 ist und davon auszugehen ist, dass akquirierte Kunden auch gehalten werden können.

 

Interessant ist, dass erfolgreiche digitale Unternehmen diese Methode und den NPS für immer beibehalten – ähnlich wie sich auch Lean Management in der Industrie festgesetzt hat.

4. Customer Development

Nach erfolgreicher Validierung der Hypothesen begibt man sich auf die Suche nach dem richtigen Vertriebskanal, sowie der effizienten Aussteuerung der Vertriebsmaßnahmen. Das Wort der Stunde lautet: Kundenzugang. Wo finde ich meine Kunden? Auf den „Product-Market-Fit“ folgt somit der „Product-Channel-Fit“. Im Zentrum steht dabei eine zentrale Kennzahl: die Customer Acquisition Costs. Diese errechnen sich aus den Kosten der Reichweite und der Klickpreise, sowie der Conversion Rate. Hierbei kommen also „Product Market Fit“ als maßgeblicher Treiber der Conversion Rate sowie der „Product Channel Fit“ als maßgeblicher Treiber der Klickpreise zusammen.

 

Achtung: „new customers“ heißt nicht unbedingt neue Kunden, sondern steht abstrakt für Geschäftserfolg. Die erfolgreichen digitalen Businesses zeigen nämlich, dass dezidierte Kennzahlen erfolgsversprechender sind:

  • Whatsapp nutzt „Messages send“ als Erfolgsmetrik

  • Airbnb nutzt „Nights booked“ als Erfolgsmetrik

  • Facebook nutzt die „Monthly Active User“ als Erfolgsmetrik

  • Zalando nutzt die „Orders“ als Erfolgsmetrik

 

Es geht also vielmehr um eine spezifische Kennzahl basierend auf dem Geschäftsmodell als um eine reine „Umsatz-Betrachtung“. Letztlich ist der Umsatz die logische Konsequenz aus zufriedenen Kunden.

 

Nachdem die KPIs definiert und technisch messbar sind, werden die Vertriebskanäle angekurbelt. Es empfiehlt sich, die Kanäle nach Audience Fit, Audience Volume und Kosten zu sortieren. Je besser der Fit, die Größe der Zielgruppe und je niedriger die zu erwartenden Kosten, desto besser. Anschließend geht es zum iterativen Planen, Testen und Analysieren der Vertriebskanäle über. Am Ende stehen die Kanäle in ihrem Verhältnis von Kundenakquistionskosten und zu erwartendem Kundenwert (Customer Life Time Value) gegenüber.

 

Erst wenn nach ausreichender Optimierung der Kanalaussteuerung die Kundenakquisitionskosten äquivalent zum Kundenwert stehen – sprich die Geschäftsidee auf der einzelnen Transaktion beginnt, Cashflow positiv zu sein – kann die nächste Phase eingeläutet werden. In dieser Phase ist jedoch Geduld und Struktur gefragt. Es gilt, alle Kanäle zu optimieren, Keywords zu testen, Werbebotschaften zu testen, Audiences gegeneinander zu testen und vieles andere mehr, bis der magische Kanal gefunden wurde.

 

Gilt also CAC = CLV, folgt die Skalierung. Nun werden die Vertriebskanäle skaliert und die Budgets erhöht. Das Ziel lautet, den Markt zu erweitern und gleichzeitig die Kundenakquisitionskosten im Griff zu haben. Nun kommen Instrumente wie Marketingautomatisierung, Retargeting, Look-A-Like Audience und klassische Upper-Funnel-Maßnahmen zum Tragen.

 

Auch wenn fortlaufend zwischen Wachstum und Profitabilität abgewogen werden sollte, ist die Faustregel, dass die Kundenakquisitionskosten ca. 1/3 bis 1/2 des Kundenwertes entsprechen sollten, ein guter Ratgeber, um bei der entsprechenden Skalierung den Overhead mitfinanzieren zu können. Dies hängt jedoch stark vom Geschäftsmodell und der Strategie ab.

Portfolio Theorie bzw. Metered Funding

Start-Ups scheitern – je nach Quelle – mit einer Wahrscheinlichkeit von >80%. Es wäre also utopisch zu glauben, dass bessere Planung durch einen Konzern die Erfolgswahrscheinlichkeit drastisch erhöht. Vielmehr geht es darum, die Unsicherheit systematisch auszuschließen – ähnlich wie in der Portfoliotheorie oder dem Konzept des „metered fundings“ von Eric Ries.

 

Dies heißt letztlich, dass Unternehmen lernen müssen, relevant viele Geschäftsideen (ca. 10-30) parallel abzutesten und zu entwickeln. In diesem Prozess muss jedoch ein klares Framework erarbeitet werden, um jene Ideen mit der größten Erfolgswahrscheinlichkeit möglichst früh zu identifizieren und jene, die keinen Erfolg versprechen ,möglichst früh zu stoppen. Vergleicht man dies mit einem VC-Fund könnte man zum Beispiel alle 2-3 Jahre ca. 20 Ideen ins Rennen schicken mit dem Ziel, 2-3 Gewinner hervorzubringen, die nachhaltig das Potenzial haben, das eigene Unternehmen zu transformieren. Sind diese Gewinner ausreichend stabil entwickelt, muss die Organisation einen Weg finden diese zu führen – sei es in Parallelstrukturen oder integriert in die Kernorganisation.

Das TOWA Framework als Unterstützung zu digitalem Wachstum:

Das TOWA Consulting Team unterstützt Unternehmen dabei die o.a. Frameworks ineinander greifen zu lassen, die Stakeholder an Bord zu holen und bringt die nötigen Fachexperten an den Tisch, um aus der Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Dies gelingt uns in 8 Schritten, die – je nach Vorarbeit – auch mitten im Prozess begonnen werden können. Ebenso liefert der Prozess nach jedem Schritt weitere Erkenntnisse, die Aufschluss darüber geben, ob eine Fortführung aus unternehmerischer Sicht sinnvoll ist. Unser Ziel ist es, möglichst evidenzbasiert zu arbeiten, um Fehleinschätzung möglichst früh zu erkennen und im Sinne des Risikomanagements Fehlallokationen zu vermeiden.

8 Schritte
  • Idee // Orientierung

    Wir unterstützen unsere Kunden bei der Orientierung im Markt in Form von Wettbewerbsanalysen, Trendanalysen sowie Cross-Industry Innovation Ideen. Hierbei leiten wir die Implikationen und Handlungsfelder ab und geben unseren Kunden Orientierung bei der Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle und der Überführung von analogen Geschäften in die digitale Welt.

  • Idee // Verständnis

    Wir stellen das Business Modell sowie den konkreten Business Case dar, um die kommerziellen Rahmenbedingungen besser zu verstehen und die richtige Investitionsentscheidung zu treffen.

  • Product // Visualisierung

    In einem strukturierten Prozess – wie zum Beispiel als Teil eines Design Sprints – visualisieren wir die vorab identifizierten Potenziale als Clickdummy, um sie sowohl besprechbar wie auch validierbar zu machen

  • Product // Validierung

    In einem strukturierten Prozess – wie zum Beispiel dem User Testing – validieren wir die Ideen am User, um Feedback zu erhalten.

  • Product // Implementierung

    Nach erfolgreicher Validierung entwickeln wir eine gemeinsame Produktvision und erarbeiten den vorgelagerten MVP. Hierbei gilt es, genau auf Architektur- und Frameworkentscheidungen zu achten, um bestmöglich mit den Ressourcen zu haushalten.

  • Product // Optimierung

    Nach erfolgreicher Implementierung statten wir das Produkt mit der nötigen Trackinginfrastruktur aus, um Potenziale in der User Experience zu identifizieren und diese in den Backlog unseres Scrumteams einfließen zu lassen.

  • Scale // Growth Hacking

    Zu Beginn des Roll-Outs gilt es, die “low hanging fruits“ abzugreifen und schnell Kunden zu gewinnen. Hierzu realisieren wir den Eintritt in das digitale Marketing für unsere Kunden und setzen sämtliche digitalen Kampagnen initial auf und generieren rasch Insights aus dem Markt.

  • Scale // Digital Sales

    Das initiale Growth Hacking liefert uns Aufschluss über die Marktgegebenheiten und ist somit die Basis für die anschließende Professionalisierung hin zu einem digitalen Vertrieb. Dieser beginnt aus kommerziellen Gründen meist im „lower funnel“ und wir arbeiten uns schrittweise in den „upper funnel“.

🔥 Projekte, auf die wir stolz sind